编辑: 牛牛小龙人 | 2019-07-14 |
Sophie Wolfrum Head of the Architecture Faculty at the Technical University of Munich Foto: HafenCity Hamburg | IBA Hamburg / Bente Stachowske URBANE ARCHITEKTUR These 1: Architektur ist immer performativ. Geht man im Alltag mit Architektur um, erf?hrt man sie nicht im distanzierten Betrachten, sondern ehr beil?ufig in einer kon- kreten Situation. Wir sind dann schon auf dem Weg, auf der Schwelle, durch die Tür, wir spüren unser K?rpergewicht auf der Treppe, jeweils sind wir in dieser Betrachtung selbst enthalten. In der Architektur sind wir Mitspieler, sagte Dagobert Frey. Archi- tektur entfaltet sich im Gebrauch, erst dann bekommt sie sozia- le und ?sthetische Relevanz. Dabei sind die materielle Struktur, das Ding, die Haptik und die Atmosph?re nicht nebens?chlich. Architektur verfügt über ein Repertoire von spezifisch architek- tonischen Mitteln und Strukturen, aber erst in einem kulturellen Ereignis, in einer Situation der Bewegung und des Darin-Seins entfalten sie sich. Wie Hardware und Software spielt beides zu- sammen. Der performative Aspekt betont die Komponenten des r?umlichen Erlebens, Erfahrens und Handelns, die unabdingbar in die architektonische Wirklichkeit eingeschlossen sind. Ein Beispiel: Der Panoramaweg auf dem Energieberg der IBA Hamburg. Er hat einerseits skulpturale Qualit?ten, was aber mehr auf Fotos oder Pl?nen zu Geltung kommt. Seine wahre Qualit?t zeigt sich erst w?hrend eines Rundgangs, erst dann entfaltet sich das Panorama, er berührt den Boden und hebt wieder ab, der Wind zerrt an einem oder die Sonne brennt. Die Sch?nheit eines Weges zeigt sich nur, wenn man ihn geht. These 2: Urbaner Raum hat performative Qualit?ten. Situation, Gebrauch, Prozess, Mitspieler sind auch die Schlüs- sel zu einem performativen Verst?ndnis von urbanen R?umen. Der Begriff des Performativen geht zudem auf die Sprach- philosophie zurück, in die John L. Austin eine Differenzierung zwischen performance und performative einführte. W?hrend performance lediglich die Ausführung einer Handlung ist, be- zeichnet performative eine Situation, in der eine neue Wirklich- keit generiert wird. W?hrend wir in der Stadt gehen oder fahren oder skaten, haben wir nicht nur unterschiedliche Erfahrungen, je individuelle Sichtweisen, sondern die ?Spiele der Schritte schaffen erst den Raum, wie es Michele de Certeau formuliert. Dahinter steht ein relationales Raumverst?ndnis. In den Theaterwissenschaften wird Performativit?t bereits seit L?ngerem konzeptualisiert. Für Architektur und St?dtebau ist ein vergleichbarer Diskurs bisher weniger explizit, er wird meist mit den Begriffen des Szenischen oder des Situativen verbun- den.szenischer Raum, ohne den, wie wir wissen, die Geb?ude nur Konstruktion w?ren und die Stadt nur eine Agglo- meration. (Baudrillard) Zwar ist der Topos von Stadt als Bühne oder als Drama (Bacon, Bahrdt, Mumford, Sebald, Sennett etc.) verbreitet, aber meist blieb es bei der Analogie von Stadt und Theater im Sinne einer Metapher. Jetzt geht es jedoch um das Verst?ndnis von Theater, in der das Verh?ltnis von Stück und Spiel zugunsten der Aufführung und deren performativen Poten- tial gewichtet wird. Auch urbane R?ume werden erst in urbanen Situationen relevant, die leere Bühne ist uninteressant. Der urbane Alltag der Stadt mit all seinen Potentialen und Konflikten wird dabei in den Blick genommen. Er beschr?nkt sich nicht auf die Freizeitr?ume einer hedonistischen urbanen Freizeitkultur. These 3: Der architektonische Entwurf kann es besonders auf Performativit?t anlegen. Performativer Urbanismus bleibt nicht bei einer psychogeogra- fischen Rezeption von Stadt stehen, sondern sieht die Dring- lichkeit von architektonischem Entwurf. Der Entwurf kann das performative Potential der Architektur explizit in seinen Fokus nehmen. Drei Beispiele hierfür: Die Highline in New York schafft einen Bewegungsraum, einen linearen Park, der einen v?llig neuen Zugang zu dem seit l?ngerem sich in Transformation befindlichen Stadtteil Chelsea inszeniert. Das neue Stadthalle in Gent wurde in einem langen 15j?hrigen Entwurfsprozess von den Architekten Robbrecht en Daem und Van Hee als ein offenes ?Wohnzimmer für die Stadtgesell- schaft begriffen. Dafür haben sie den Entwurf durch alle Rück- schl?ge hindurch beharrlich verfolgt und zugleich immer weiter in diesem Sinne pr?gnant gemacht. Die Dreirosenbrücke in Basel nimmt in ihrem K?rper eine breite Autobahnverbindung auf - auf dem Deckel aber eine viel schm?lere Stadtstra?e, man gewinnt dadurch Platz für sehr breite Trottoirs. Der Bewegungsraum auf der Mitte des Rheins wird beil?ufig auch zum Aufenthaltsraum. These 4: Der Entwurfsprozess selber kann performativen Charakter haben. Ist Architektur eine performative Kulturtechnik par excellence, weil sie immer erst im Gebrauch zur Entfaltung kommt, oder muss sie ihre Entwurfspraktiken ?ndern? Diese Frage besch?f- tigt zur Zeit die Profession. Die IBA Hamburg hat neben vielen Projekten insbesondere im Bildungsbereich, die ohne die Mitwirkung der sp?teren Nutzer im Prozess des Entwurfes nicht denkbar w?ren, darüber hinaus zwei Projekte, die sich dieser Frage explizit widmen. ?Grundbau und Siedler'